Ausgrenzungen im Tod. Grenzvorstellungen zwischen Diesseits und Jenseits und ihre gesellschaftliche Dimension in der Frühen Neuzeit
Ida Michaelis, Lena Schepers
In der Arbeit wird untersucht, wie bestimmte Verstorbene in der Frühen Neuzeit über den Tod hinaus gesellschaftlich ausgegrenzt wurden. Ausgangspunkt ist ein archäologischer Fund in Münster von 2016, bei dem auf dem Gelände der heutigen Gesamtschule Münster Mitte ein Skelett in Bauchlage ohne Sarg entdeckt wurde, was auf eine sogenannte Sonderbestattung hindeutet. Dies führt die Autorinnen zur Frage, warum manche Menschen nicht auf übliche Weise bestattet wurden. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen Selbstmörder, Wöchnerinnen und ungetauft verstorbene Kinder, die als unrein oder gefährlich galten. Die Angst vor ihrem Wiederkehren oder ihrer „Unheiligkeit“ führte zu abweichenden Bestattungsformen, etwa an entlegenen Orten oder in Bannstellungen. Auch gesellschaftlich geächtete Gruppen wie Ehebrecher, Hexen oder Anhänger abweichender Glaubensrichtungen wurden häufig verstoßen. Durch Interviews mit Fachleuten, das Studium von Fachliteratur und die Auswertung bisher unbeachteter Archivalien aus dem Landesarchiv Münster gelingt es den Verfasserinnen, eindrucksvoll aufzuzeigen, wie tief religiöse Vorstellungen das Verhältnis zum Tod prägten. Gleichzeitig dokumentieren sie, dass es im 18. Jahrhundert erste Schritte zu einem milderen Umgang mit den Toten gab, etwa durch ein Edikt Friedrichs II. Die Arbeit macht so sichtbar, wie stark sich der Umgang mit Tod, Schuld und Ehre wandelte sowie wie er teils bis heute nachwirkt.