Schule als soziale Grenze? Über die 1960er-Jahre in der BRD
Annika Frieler
Der Beitrag von Annika Frieler untersucht am Beispiel ihres Großvaters, wie das westdeutsche Bildungssystem der 1960er Jahre soziale Ungleichheiten nicht nur abbildete, sondern teils auch verstärkte. Der Großvater der Autorin stammte aus einem bäuerlichen Milieu, besuchte allerdings trotz finanzieller Hürden, mangelnder Unterstützung im Elternhaus und gesellschaftlicher Vorurteile als einziges von neun Geschwistern das Gymnasium Dionysianum in Rheine. Frieler beleuchtet zunächst die Struktur der damaligen Schulformen (Volksschule, Realschule, Gymnasium) und zeigt, wie stark die soziale Herkunft den Bildungsweg beeinflussen konnte. Sie untersucht verschiedene Maßnahmen zur Förderung von Chancengleichheit, etwa durch Vereine, kirchliche Initiativen oder alternative Schulformen und erkennt oft eine selektive Logik hinter diesen Angeboten. Aus soziologischer Perspektive analysiert sie Konzepte wie soziale Mobilität, Auslesefunktion und Platzierungsmechanismen und greift auf Theorien bspw. von Ralf Dahrendorf zurück. Politische Entwicklungen der späten 1960er Jahre, Reformbewegungen und ein gesellschaftlicher Wertewandel (z.B. im Umgang mit dem Nationalsozialismus) rahmen diese Analyse. Frieler kommt zu dem Schluss, dass die Schule in jener Zeit nur in sofern als soziale Grenze fungierte, als dass sie die bestehende Ungleichheiten nicht nur spiegelte, sondern auch festigte. Gleichzeitig erkennt sie die Schule in der BRD als soziale Grenze nicht an, sondern verweist auf schulexterne Faktoren.