Der Karzer - Ein Urteil über das moralisch grenzüberschreitende Rechtssystem der Universitäten

Jannis Büker, Lasse Dolkemeier, Tom Klammer, Kilian Ples

Schulen: Gesamtschule Münster-Mitte; Gesamtschule Münster-Mitte; Gesamtschule Münster-Mitte; Gesamtschule Münster-Mitte;
Jahrgangsstufen: 13
Beitragsart: Website
Vorhandene Dokumente: Beitrag,
Wettbewerb: Bis hierhin und nicht weiter!? Grenzen in der Geschichte (2024-2025) (Detail)
Zeitraum von: 1100
Zeitraum bis: 1914
Signatur: None
Umfang: nicht erfasst
Auszeichnungen: nicht erfasst
Untersuchte Orte: Gymnasium Paulinum, Münster
Persönlichkeiten: nicht erfasst
Institutionen: Gymnasium Paulinum
Tutoriert: Nein
Beitragszusammenfassung:

Die von Schülerinnen und Schülern erarbeitete Website bietet einen umfassenden Überblick zur Geschichte, Funktionsweise und Kritik der akademischen Gerichtsbarkeit, insbesondere zur Bestrafungsform des Karzers. Sie zeichnet die Entwicklung von den Anfängen im 12. bis 14. Jahrhundert über die Vereinheitlichung in Preußen 1810 bis zur Abschaffung 1914 nach. Zunächst unterlagen alle Universitätsangehörigen dieser Sondergerichtsbarkeit, deren Ausgestaltung je nach Institution variierte und lange ohne staatliche Vorgaben erfolgte. Die Verfahren betrafen vorwiegend geringfügige Vergehen wie Ruhestörung oder kleinere Auseinandersetzungen. Nach 1810 wurde der Zuständigkeitsbereich auf Studierende beschränkt, bei schwereren Fällen übernahm die öffentliche Justiz. Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1879 verlor die akademische Gerichtsbarkeit an Bedeutung, die Karzerstrafe blieb jedoch als disziplinarische Maßnahme erhalten. Der Karzer war eine Arrestzelle innerhalb der Hochschule oder Schule. Seine Ausstattung reichte von karg und unhygienisch bis hin zu einer Art „Minigefängnis“ mit Bett, Tisch und Schrank. Vor der preußischen Vereinheitlichung konnten Haftstrafen bis zu einem Jahr dauern, oft unter schlechten Bedingungen. Die Vollzugsorgane, insbesondere der Pedell, vereinten polizeiliche und exekutive Befugnisse mit Verwaltungsaufgaben, was aus heutiger Sicht problematisch erscheint. Kritisiert wird vor allem die fehlende Gewaltenteilung und der Widerspruch zwischen pädagogischem Auftrag und freiheitsentziehender Strafe. Psychische Belastungen wie Isolation oder Demütigung sind ebenso dokumentiert wie die begrenzte erzieherische Wirksamkeit. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts verbesserte sich die Ausstattung der Karzer, und die Haftbedingungen wurden gelockert: Studierende durften Besuche empfangen, Verpflegung von außen annehmen und teils weiterhin Vorlesungen besuchen. Dadurch wandelte sich die Wahrnehmung der Strafe. Karzeraufenthalte wurden von vielen, insbesondere Mitgliedern studentischer Verbindungen, als Ehrenzeichen betrachtet. Entsprechende Wandmalereien mit Wappen, humorvollen Inschriften oder satirischen Darstellungen der Obrigkeit sind bis heute erhalten. Ein Beispiel ist der Heidelberger Karzer, in dem fünf Studenten 1901 wegen eines als Scherz inszenierten „Fundstück“-Vorfalls inhaftiert wurden und diesen in Wandkunst ironisch verarbeiteten. Der Beitrag beleuchtet zudem Fallbeispiele aus Münster. Nachweislich gab es Karzer sowohl im Gymnasium Paulinum als auch in der Akademie zu Münster. Im Jesuitenkolleg von 1593 befanden sich die Zellen im Erdgeschoss, getrennt nach Schule und Akademie. 1906 wurde der Karzer des Kollegs geschlossen. Auch im Neubau des Paulinums um 1890 sind Karzerräume im Kellergeschoss verzeichnet. Mit der Abschaffung der akademischen Gerichtsbarkeit 1914 endete auch hier diese Form der Disziplinierung. Insgesamt wird der Karzer als historisch bedeutsames, heute aber ethisch fragwürdiges Instrument beschrieben, das einerseits Disziplin sichern sollte, andererseits jedoch Grenzen zwischen erzieherischer Autorität und repressiver Machtausübung überschritt. Die Website verdeutlicht den Wandel von einer gefürchteten Strafe zu einem Ritual studentischer Selbstinszenierung und liefert zugleich eine kritische Reflexion über die Legitimität solcher Maßnahmen im Bildungswesen.