„Aghet“ – Grenzenlose Katastrophe. Zwischen Schmerz, Erinnerung und Aufarbeitung: Der Völkermord an den Armeniern in der Überlieferung meiner Familie
Mariam Simonyan
Der Völkermord an den Armeniern 1915–1917 sowie die folgenden Deportationen und Ermordungen, verbundenen mit der eigenen Familiengeschichte, werden im Beitrag als Entgrenzung von Moral- und Wertvorstellungen, Missachtung der Grenzen der Menschlichkeit und zugleich als Mahnung über Generationengrenzen hinweg interpretiert. Zunächst werden die Situation der Armenier im Osmanischen Reich sowie Faktoren für ihre rechtliche Diskriminierung und den Völkermord dargestellt und in den Kontext des Ersten Weltkrieges eingeordnet. Es folgen Ausführungen zur Durchführung des Genozids, auch bezogen auf die Gewalt an den eigenen Vorfahren, zur Evakuierung armenischer Kinder und zu Deportationen und Vertreibungen von Armeniern durch die kemalistische Bewegung. Die umfangreiche Zitation von Berichten u. a. der deutschen Botschaft an den Reichskanzler aus dem Jahr 1915 sollen laut der Verfasserin das Wissen der Reichregierung über die massenhafte Tötung der Armenier durch das verbündete Osmanische Reich und deren bewusste Inkaufnahme belegen. Erzählungen der Großmutter über physische und sexuelle Gewalt und die Tötung ihrer Familie sowie ihre eigene Flucht zeigen die familiäre Bedeutung auf. Als Auswirkungen des Genozids markiert der Beitrag v. a. die Herausforderungen der erzwungenen Migration in der Diaspora, die Verweigerung von Anerkennung seitens der Türkei und Repressionen hinsichtlich des Gedenkens, aber auch die internationale Anerkennung als historisches Beispiel für die Entwicklung der UN-Genozid Konvention 1948 und die Erinnerungskultur und -politik in Armenien. Abschließend erfolgt eine Reflexion zur heutigen und zukünftigen Bedeutung des Themas, wobei besonders die Bedeutung von Erinnerung und die Notwendigkeit internationaler Schutzmaßnahmen hervorgehoben wird.