Mein Ururgroßvater Karl Schlüter 1877-1947. Pastor zur Zeit des Nationalsozialismus

Luzie Glade

Schulen: Friedensschule;
Jahrgangsstufen: 12
Beitragsart: Textbeitrag
Vorhandene Dokumente: Beitrag,
Wettbewerb: Gott und die Welt. Religion macht Geschichte (2016-2017) (Detail)
Zeitraum von: 1877
Zeitraum bis: 2017
Signatur: 4 SAB 1344
Umfang: 49 S.
Auszeichnungen: 2. Bundespreis
Untersuchte Orte: nicht erfasst
Persönlichkeiten: Schlüter, Karl
Institutionen: nicht erfasst
Tutoriert: Ja
Beitragszusammenfassung:

Ausgehend von der Moller-/ Tschuggnall-/ Welzer-Studie „Opa war kein Nazi“ sowie der sich aufdrängenden Frage, wie sich ein Pastorenehepaar in der eigenen Urgroßelterngeneration wohl zum Nationalsozialismus verhalten hat, geht die Autorin der Familienüberlieferung vom Urgroßvater als dezidiertem Nazi-Gegner nach. Sie ordnet ihre Überlegungen in die Gedächtnis-Konzepte Assmanns (kommunikatives vs. kulturelles Gedächtnis) sowie die von Molzer, Tschuggnall und Welzer angestellten Überlegungen zum Familiengedächtnis, das Loyalität und Identität der Wir-Gruppe absichern soll, ein. Nach dem Vorbild der Studie schließt sie daran ausführliche Zitationen familiärer Tradierungen der Lebensgeschichte des Urgroßvaters an, die sie zu weiten Teilen zitiert. Ausgehend von diesen elaborierten theoretischen Überlegungen und detailreichem Material-Korpus listet sie den Forschungsstand nach Moller et al. und umreißt den historischen Kontext, den Machtantritt der Nationalsozialisten in Braunschweig, der Heimat Karl Schlüters. Schließlich arbeitet sie zahlreiche Quellen wie Protokolle aus Presbyteriumssitzungen, Personalakten und Predigten aus dem privaten Nachlass Schlüters auf. Sie kommt zu dem vielschichtigen Bild eines Mannes, der durchaus bereit war, sich gegen eine Vereinnahmung seines Nahbereichs durch die Nationalsozialisten zu wehren: Gegen die Anbringung einen Hakenkreuzes in der Kirche protestierte er, für die Freimaurerloge, die zwischendurch geschlossen werden musste, drängte er auf Wiedereröffnung. Auch seine Predigten richteten sich gegen eine umfassende Vereinnahmung durch das Regime. Die verbrecherische und menschenverachtende Qualität des NS-Regimes jedoch schien er erfolgreich zu verdrängen. Rückblickend auf die Gedächtniskonzipierungen und Studien-Ergebnisse Welzers konstatiert die Verfasserin, dass einzelne Handlungen ihres Urgroßvaters sicherlich im Familiengedächtnis eine kommunikative Überhöhung erfahren haben und zu dessen Stilisierung geführt haben, er jedoch in seiner Grundhaltung definitiv kein Anhänger der Nationalsozialisten gewesen sei.