Schülersoldaten: Luftwaffenhelfer in Münster 1943-1945
Eylem Gürbüzer
Mit dem Abzug von 120.000 Soldaten der Luftwaffe an die Front 1942 mussten diese vakanten Stellen an den Flugabwehrkanonen im Zweiten Weltkrieg neu besetzt werden. Zu diesem Zweck ordnete die deutsche Reichsregierung zunächst einen freiwilligen Einsatz ab 17 Jahren an, der ab 1943 auf die Rekrutierung der 15-17jährigen ausgedehnt wurde. Die Betroffenen wurden mit einer Eil-Ausbildung in die Wehrmacht aufgenommen – ihren Status als Schüler legten sie, auch aus eigener Perspektive, ab und nahmen sich stattdessen als Erwachsene wahr, die nun ihren Beitrag zum Krieg leisten mussten. Die parallele Beschulung war angesichts der Inanspruchnahme, die weit mehr umfasste als den Dienst an den Flak im Falle eines Fliegerangriffs, de facto auch unmöglich geworden. Einige der Jugendlichen wurden sogar fern der Heimat, in den vorliegenden Fällen in der Nähe von Auschwitz in Polen, eingesetzt. Anhand von Zeitzeug*inneninterviews rekonstruiert die Verfasserin, welche Auswirkungen die Flak-Helfer-Tätigkeiten auf die Lebensläufe der Jugendlichen hatten und haben. Dabei stellt sie übergreifend fest, dass vor allem die durch die extremen Bedingungen entstandene enge Kameradschaft zwischen den Jugendlichen bis in die Gegenwart Bestand hat. Auch zeichnete sie häufig ein umso größerer Lernwille nach dem Krieg angesichts des vielen versäumten Unterrichts durch ihre Tätigkeit aus. Ein weiterer Aspekt, der erst mit der Zeit hinzutrat, war, dass die jungen Männer nun erkannten, wie ihre fehlgeleitete Begeisterung von der Führung des NS-Staats instrumentalisiert worden war.