„Dubius vivo, non impius“ (Ich lebe zweifelnd, aber nicht gottlos). Zwischen Kirche und Gott: Eine multiperspektivische Untersuchung des ‚Falls Herrmann’ in der Bundesrepublik der 1970er Jahre

Finja Marie Haehser

Schulen: Marienschule;
Jahrgangsstufen: 11
Beitragsart: Textbeitrag
Vorhandene Dokumente: Beitrag, Arbeitsbericht
Wettbewerb: Gott und die Welt. Religion macht Geschichte (2016-2017) (Detail)
Zeitraum von: 1960
Zeitraum bis: 1970
Signatur: 4 SAB 1381
Umfang: 57 S.
Auszeichnungen: 2. Bundespreis
Untersuchte Orte: WWU Münster
Persönlichkeiten: Herrmann, Horst
Institutionen: Westfälische Wilhelms-Universität
Tutoriert: Ja
Beitragszusammenfassung:

In ihrem umfangreichen Beitrag setzt sich die Schülerin mit dem „Fall Herrmann“ auseinander, dem Konflikt zwischen der katholischen Kirche und dem Kirchenrechtler/-kritiker sowie ehemaligen Priester Horst Herrmann, der in den 1970er Jahren in Westfalen und auf Bundesebene für Schlagzeilen gesorgt hatte – wie es bereits das Titelblatt der Arbeit zeigt. Herrmann, der 1964 zum Priester geweiht und 1967 in Bonn promoviert wurde, habilitierte nach einem zweijährigen Aufenthalt im Vatikan 1970 in Bonn für das Fach Kirchenrecht. Im selben Jahr wurde er als ordentlicher Professor für das katholische Kirchenrecht an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster berufen. Zwar veröffentliche Herrmann bereits zuvor strittige Werke ohne Imprimatur (bischöflicher Erlaubnis), doch gilt sein Werk „Ein unmoralisches Verhältnis“ aus dem Jahr 1974, in welchem er den seines Erachtens nach einseitigen Nutzen der Kirche im bestehenden Kirche-Staat-Verhältnis, z.B. in Steuerfragen, den prunkvollen Lebensstil vieler Geistlicher und den seiner Meinung nach von der Kirche vergessenen Dienst an den Menschen kritisiert, als Stein des Anstoßes der Diskussionen um seine Person. Dieser Konflikte mündete schließlich im ersten und einzigen Lehrbeanstandungsverfahren der Deutschen Bischofskonferenz, einer kirchenoffiziellen Verurteilung und dem damit verbundenen Entzug der „Missio canonica“, der kirchlichen Lehrerlaubnis, für Horst Herrmann, welcher seinerseits schließlich 1981 aus der Kirche austrat und in den Fachbereich der Soziologie wechselte. Die multiperspektivische Erarbeitung der Verfasserin beschreibt zunächst das Spannungsfeld aus kirchlichen und staatlichen Rechten wie Pflichten, in dem sich Herrmann seinerzeit bewegte, um daraufhin am Beispiel der 1968er Protestbewegung den gesellschaftlichen, mit Blick auf die sozialliberale Koalition den politischen und bezüglich des II. Vatikanums den kirchlichen Wandel der 1960er und 1970er zu erörtern und somit den Fall in den größeren historischen Kontext einzuordnen. Dieser Kontextualisierung schließt sich ein biographischer Überblick des Lebens von Horst Herrmann an. Die Autorin stellt in einem nächsten Schritt den Fall Herrmann aus acht verschiedenen Blickwinkeln dar: Neben der Perspektive des Bischofs, des Wirtschaftsministers, von Professor Herrmann persönlich, von katholisch-kirchennahen sowie katholisch-kirchenfernen Theologieprofessoren, von katholischen und evangelischen Theologiestudenten und der evangelischen Kirche Westfalens erarbeitet sie auch den politischen Blick und die Darstellung in den Medien. In ihrem Fazit kommt sie zu dem Schluss, den „Fall Herrmann“ als Beispiel für den Entfremdungsprozess zwischen der kritisch-liberalen Gesellschaft und der patriarchalisch geprägten katholischen Kirchen einzustufen, an dem die Intoleranz der Kirche für eine interne Streitkultur deutlich würde. Für sie gilt Horst Herrmann als ein Beispiel, dass sich ein demokratisch, aufgeklärter Geist und ein tiefer Gottesglaube nicht ausschließen müssen. Der Beitrag fußt auf einem überdurchschnittlichen Fundament sowohl zahlreicher Archivalien aus dem Bistums- und Landesarchiv als auch einschlägiger Fachliteratur. Die Verfasserin führte außerdem Interviews mit dem mittlerweile emeritierten Prof. Horst Herrmann, dem heutigen Institutsleiter für kanonisches Recht in Münster Prof. Thomas Schüller, dem langjährigen Justiziar des Bistums Münster Engelbert Honkomp und hatte neben den genannten Professoren auch mit dem emeritieren Dogmatiker Prof. Gisbert Greshake und dem Religionspädagogen Prof. Karl-Heinz Ohlig per Email Kontakt.