Als 1986 der Wettbewerb zur Geschichte der Umwelt ausgeschrieben wurde, hatte wenige Monate zuvor eine Katastrophe die Aktualität des Themas auf dramatische Weise ins Bewusstsein gerückt: Im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl kam es am 26. April 1986 zum GAU. Große Mengen radioaktiven Materials wurden freigesetzt und belasteten weite Teile der Sowjetunion und Europas. „Umwelt hat Geschichte“ fordert die Teilnehmenden dazu auf, sich einem Thema zu nähern, das in keinem Schulbuch vorkommt. Die Ausschreibung gliederte Umweltgeschichte in vier Schwerpunktbereiche: Wasser, Schadstoffe, Grün und Alternativbewegungen. Unter „Wasser“ wurden speziell die Gattung der Bach- und Flussbiographien verstanden, unter dem Stichwort „Schadstoffe“ fasste die Körber-Stiftung Themen wie Proteste gegen umweltschädigende Industrien, Geschichte chemischer Schädlingsbekämpfung, schadstoffbedingte Arbeitserkrankungen und die Müllgeschichte zusammen. „Grün“ – nicht politisch gemeint, beinhaltete u.a. die Geschichte von Naturschutz, Stadtvierteln, Grünbeseitigung, Parkgeschichte. Entgegen der Vermutungen seitens der Körber-Stiftung griffen nur wenige Jugendliche die Konflikte um die Atomenergie als Thema ihrer Forschungsarbeit auf. Das Interesse galt vielmehr – so auch in Münster – den menschengemachten Umweltveränderungen vor der eigenen Haustür. 27 Kinder und Jugendliche reichten 16 Beiträge zum Thema „Umwelt hat Geschichte“ ein. Beliebt war der Themenbereich Wasser: die Veränderung der Münsterischen Aa und des Aasees, die Begradigung der Stever vom Fluss zum Kanal im Raum Senden oder die Emsbegradigung und ihre Folgen. Beleuchtet wurde auch die Geschichte der industriellen Luftverschmutzung sowie die Geschichte von Müllkippen und Müllentsorgungen im Münsterland, die das Grundwasser gefährdeten. Ein Schüler rekonstruierte z.B. die Entwicklung des Müllvolumens sowie Umfang und Arbeitsweise der Müllbeseitigung in Münster vom Ende des 17. Jahrhunderts bis zur Gegenwart und wurde dafür mir einem 3. Bundespreis ausgezeichnet. Auch lokale Auseinandersetzungen um die Beseitigung von Grünanlagen oder Naturschutzgebieten wurden in Münster thematisiert: Eine Schülerarbeit beschäftigt sich beispielsweise mit den Eingriffen des Menschen in den Naturhaushalt des Venner Moores.
Anzahl Beiträge aus Münster: 16
Anzahl Teilnehmende aus Münster: 27
Anzahl der Preise in Münster: 14
Karte
Auf der Karte sind alle Orte markiert, zu denen Beiträge in diesem Wettbewerb geschrieben wurden.
Im Turnus von zwei Jahren loben Bundespräsident und Körber-Stiftung den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten aus. In diesem Wettbewerb werden Kinder und Jugendliche seit 1973 dazu aufgerufen, ihre Lokal- oder Familien-geschichte zu erforschen. Eine Übersicht über alle Wettbewerbsthemen gibt es hier.
In keiner anderen Stadt haben seit 1973 so viele Kinder und Jugendliche am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten teilgenommen, wie in Münster. In den letzten knapp 50 Jahren entstanden hier rund 1.700 Arbeiten, die auch historische Themen für die Stadtgeschichte neu erschlossen haben. Das Stadtarchiv Münster sammelt und archiviert diese Schülerarbeiten in seinem Lesesaal, wo sie einen einzigartigen Quellenkorpus zur Stadtgeschichtsforschung bilden.
Gemeinsam mit dem Stadtarchiv Münster hat das Institut für Didaktik der Geschichte an der WWU die Beiträge, die Münsteraner Kinder und Jugendliche im Geschichtswettbewerb einreichen, erfasst. Im Rahmen des Münster Hack 2020 und in Zusammenarbeit mit dem European Research Center for Information Systems wurde so eine einzigartige Datenbank erarbeitet, die zeigt, wie sich Münsteraner Kinder und Jugendliche mit ihren Beiträgen zum Geschichtswettbewerb in die Erforschung der eigenen Stadtgeschichte einbringen.