Vom Armenhaus zur Suchtberatung. Zur Geschichte des Helfens (1996 - 1997)
Die Geschichte des Helfens ist vom Nachdenken über die Ursachen der Not und die Möglichkeiten ihrer Beseitigung nicht zu trennen. Die Klassifikation der Not – als individuelles Fehlverhalten, Schicksalsschlag oder gesellschaftliches Problem – wurde nicht selten von den Helfenden bewertet und wirkte sich somit auf das Verhältnis zwischen Helfenden und Notleidenden aus. An vielen Notlagen und Hilfsaktionen entzündeten sich grundsätzliche gesellschaftliche Debatten. In den 1990er Jahren wurden viele Fragen der sozialen Gerechtigkeit kontrovers diskutiert. Durch das Stellen der Frage „Welchen Stellenwert hatten Solidarität und Gemeinsinn in der Gesellschaft in früheren Zeiten, und wie haben sich Not und Hilfe seither gewandelt?“ zeigte der Geschichtswettbewerb 1996/97 die historischen Dimensionen des Themas auf. Wie dachte man in der Vergangenheit über soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit? Wurden die Bedürftigen als bloße Empfänger von Hilfe oder als Mitgestalter angesprochen und einbezogen? Die jungen Spurensuchenden wurden dazu motiviert, herauszufinden, was es früher im eigenen Ort ab Not und Elend gab. Wie wurde geholfen und wann? Welche Personen/Berufsgruppen beschäftigten sich hauptsächlich mit der Hilfe, welche Einrichtungen boten diese an, an welchen Orten wurde geholfen? 104 Kinder und Jugendliche haben insgesamt 34 Arbeiten zum Thema „Vom Armenhaus zur Suchtberatung. Zur Geschichte des Helfens“ verfasst und Antworten zu all den aufgeworfenen Fragen gesucht, sowohl bei Einrichtungen und Behörden vor Ort, bei Mitmenschen, die sie interviewten, in Büchern und Zeitungen, die sie lasen sowie auch in den Archiven, wo sie Originaltexte aus vergangenen Jahrhunderten in den Akten fanden. So entstanden Beiträge, in deren Mittelpunkt einzelne Personen, ganze Bevölkerungsgruppen, Institutionen und Vereine oder sogar die Politik insgesamt standen. So erforschten zwei Neuntklässlerinnen z.B. den Lebensweg eines durch seine Hilfsbereitschaft heute noch legendären Ortspfarrers. Ein anderer Beitrag handelt von einem ehemaligen Obdachlosenlager in Münster, wieder ein anderer von der Weggemeinschaft von Frauen für Frauen, sprich er recherchiert die Jahrhundertgeschichte des Sozialdienstes katholischer Frauen in Münster. Von den 34 eingereichten Beiträgen aus Münster wurden ganze sechs Arbeiten auf Bundesebene mit einem Preis ausgezeichnet.
Anzahl Beiträge aus Münster: 35
Anzahl Teilnehmende aus Münster: 61
Anzahl der Preise in Münster: 6
Karte
Auf der Karte sind alle Orte markiert, zu denen Beiträge in diesem Wettbewerb geschrieben wurden.
4 SAB 172 - Wohnungen – oder Denkmal? Der „Grüne Grund“
4 SAB 181 - Hilflose Helfer. Irre, Geisteskranke und Idioten. Fakten und geschichtlicher Hintergrund der Behandlung psychisch erkrankter Menschen in der Heil- und Pflegeanstalt Marienthal zu Münster in der Zeit nach dem Ersten bis nach dem Zweiten Weltkrieg
4 SAB 185 - Geschichte der Fürsorge für Lepröse und Arme am Beispiel Münster-Kinderhaus. Vom Siechenhaus zur Altenhilfe – ein Gebäude als Dokument des Wandels der Geschichte des Helfens
4 SAB 187 - Spuren im Schnee: Fachklinik Hornheide. Haus vom Guten Hirten. Karl Heinz Weiten – Ein Leben für die Berbergilde und „draußen!“. Katholische Krankenhaushilfe. Krankenhausfunk. Mädchenkrisenhaus in Münster. Telefonseelsorge Münster. Technisches Hilfswerk (THW).
4 SAB 196 - „Ich hab’ mir diese Art von Hilfe nicht ausgesucht.“ Die Geschichte der Suizidprophylaxe und die Entstehungsgeschichte der Krisenhilfe Münster
4 SAB 205 - Das Thema Frauenhilfe in Senden sollte im Zentrum des Beitrags stehen. Dabei wollte die Verfasserin auf verschiedenste Aspekte der Hilfe von Frauen für Frauen eingehen, wie beispielsweise Armenhäuser, Vertriebenenhilfe oder der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Jedoch beschreibt die Verfasserin in ihrem vorangestellten, ausführlichen Arbeitstagebuch, dass sie die Arbeit an ihrem Beitrag nach anfänglichen Quellenrecherchen aufgrund von Zeitmangel abbrechen musste, so dass aus der Arbeit lediglich die geplante Struktur sowie einige Informationen zu Sendens Armenhäusern hervorgehen.
Im Turnus von zwei Jahren loben Bundespräsident und Körber-Stiftung den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten aus. In diesem Wettbewerb werden Kinder und Jugendliche seit 1973 dazu aufgerufen, ihre Lokal- oder Familien-geschichte zu erforschen. Eine Übersicht über alle Wettbewerbsthemen gibt es hier.
In keiner anderen Stadt haben seit 1973 so viele Kinder und Jugendliche am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten teilgenommen, wie in Münster. In den letzten knapp 50 Jahren entstanden hier rund 1.700 Arbeiten, die auch historische Themen für die Stadtgeschichte neu erschlossen haben. Das Stadtarchiv Münster sammelt und archiviert diese Schülerarbeiten in seinem Lesesaal, wo sie einen einzigartigen Quellenkorpus zur Stadtgeschichtsforschung bilden.
Gemeinsam mit dem Stadtarchiv Münster hat das Institut für Didaktik der Geschichte an der WWU die Beiträge, die Münsteraner Kinder und Jugendliche im Geschichtswettbewerb einreichen, erfasst. Im Rahmen des Münster Hack 2020 und in Zusammenarbeit mit dem European Research Center for Information Systems wurde so eine einzigartige Datenbank erarbeitet, die zeigt, wie sich Münsteraner Kinder und Jugendliche mit ihren Beiträgen zum Geschichtswettbewerb in die Erforschung der eigenen Stadtgeschichte einbringen.