Rund 40 Prozent der Jugendlichen und Erwachsenen verfolgten 1978 die Erstausstrahlung der amerikanischen Fernsehserie „Holocaust“, die am Beispiel des Schicksals einer Familie die Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen europäischer Juden durch die Nationalsozialisten erzählte. Ein besonders brisantes Kapitel der deutschen Geschichte wurde so zum aufrüttelnden Medienereignis. In Familien, Schulen und Betrieben wurden Fragen nach der Mitschuld, nach Wissen und Nichtwissen diskutiert. Der Geschichtswettbewerb setzte der oftmals ohnmächtigen Betroffenheit die konkrete historische Recherche entgegen: Die Jugendlichen untersuchten das Eindringen des Nationalsozialismus in den Schulalltag und in Jugendorganisationen, verfolgten das Schicksal jüdischer Familien aus der Nachbarschaft, entdeckten in ihrem Ort ehemalige KZ-Außenlager, beleuchteten den religiösen Widerstand von Geistlichen oder beschrieben die Auswirkungen der Machtergreifung am Beispiel ihrer eigenen Stadt. Zahlreiche Arbeiten befassten sich mit dem Schicksal der rund zehn Millionen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter in Deutschland – ein Thema, dem weder in den Schulbüchern noch in der Forschung zuvor größere Aufmerksamkeit geschenkt worden war. Die große öffentliche Resonanz auf die Ausschreibungen zur „unbewältigten Zeitgeschichte“ zeigte, dass der Wettbewerb mit dem Thema „Nationalsozialismus“ den Nerv der Zeit traf. Weit über 50 Spurensuchende aus Münster reichten insgesamt 37 Beiträge bei der Körber-Stiftung ein. Sie forschten zu Themen wie „Westfälische Frauen am Anfang des Dritten Reiches“, befragten diverse Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu „Erlebnissen und Erinnerungen an die Kriegsjahre in Münster und Münsterland“ oder recherchierten die Geschichte von Institutionen während des Kriegs. Ein Beitrag beschäftigt sich z.B. mit der Geschichte der Raphaelsklinik in Münster in den Jahren von 1939 bis 1945.
Anzahl Beiträge aus Münster: 48
Anzahl Teilnehmende aus Münster: 70
Anzahl der Preise in Münster: 14
Karte
Auf der Karte sind alle Orte markiert, zu denen Beiträge in diesem Wettbewerb geschrieben wurden.
4 SAB 001 - Westfälische Frauen am Anfang des Dritten Reiches
4 SAB 050 - Abgeschnitten von Zuhause: Das KLV-Lager der Oberschule für Jungen am Wasserturm in Bad Wiessee nach dem Einmarsch der Amerikaner und die Rückkehr der Jungen nach Münster im Sommer 1945
4 SAB 074 - Après les misères, après les jours de bagne d’enfer. Analysen zum kriminellen Verhalten ausländischer Kriegsgefangener und Fremdarbeiter nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft. Paradigma Münster 1945-1946
keine Angabe - Bombenschutz in Münster am Beispiel des Kappenberger-Damm-Bunkers. Ziviler Luftschutz während des Zweiten Weltkriegs im Deutschen Reich.
keine Angabe - Das Leben der „kleinen Leute“ im totalen Krieg – Vaterlose Familien während des zweiten Weltkrieges am Beispiel der Familien Zeiler und Gerbaulet
Im Turnus von zwei Jahren loben Bundespräsident und Körber-Stiftung den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten aus. In diesem Wettbewerb werden Kinder und Jugendliche seit 1973 dazu aufgerufen, ihre Lokal- oder Familien-geschichte zu erforschen. Eine Übersicht über alle Wettbewerbsthemen gibt es hier.
In keiner anderen Stadt haben seit 1973 so viele Kinder und Jugendliche am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten teilgenommen, wie in Münster. In den letzten knapp 50 Jahren entstanden hier rund 1.700 Arbeiten, die auch historische Themen für die Stadtgeschichte neu erschlossen haben. Das Stadtarchiv Münster sammelt und archiviert diese Schülerarbeiten in seinem Lesesaal, wo sie einen einzigartigen Quellenkorpus zur Stadtgeschichtsforschung bilden.
Gemeinsam mit dem Stadtarchiv Münster hat das Institut für Didaktik der Geschichte an der WWU die Beiträge, die Münsteraner Kinder und Jugendliche im Geschichtswettbewerb einreichen, erfasst. Im Rahmen des Münster Hack 2020 und in Zusammenarbeit mit dem European Research Center for Information Systems wurde so eine einzigartige Datenbank erarbeitet, die zeigt, wie sich Münsteraner Kinder und Jugendliche mit ihren Beiträgen zum Geschichtswettbewerb in die Erforschung der eigenen Stadtgeschichte einbringen.